Ratgeber Familienalltag: Geschenkeberge unterm Christbaum – oder dieses Jahr mal anders …

Mädchen mit einem Turm voller Geschenke
HINWEIS: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr (Erscheinungsdatum: 9. Dezember 2020). Es kann sein, dass Inhalte dieses Artikels sich geändert haben. Hier geht es zu unseren aktuellen Meldungen.

Weihnachten steht vor der Tür und für jene, die die landesübliche Gepflogenheit von Backen, Baum und Bescherung praktizieren, auch wieder die Frage – wer bekommt was und vor allem wie viel? Vielleicht regt sich der Wunsch seine Lieben nach entbehrungsreichen Monaten während der Coronapandemie extra zu verwöhnen. Allerdings bleibt auch in Zeiten der Krise eine Krux die gleiche: Aus geschenkter Sympathiebekundung an Heilig Abend wird häufig ein Päckchengebirge, gerade in Familien mit Kindern. Ein paar Tage nach der Bescherung liegen Papiere, Schnüre, Plätzchenkrümel unter dem Baum und etliche kaum beachtete Neuzugänge. Spätestens dann fällt einem wieder ein – sollte es dieses Jahr nicht weniger sein? Noch ist Gelegenheit, es dieses Jahr anders zu machen.

Eine fünfte Quietscheente braucht es nicht
Für ein Ja zu weniger spricht sich auch Christine Pehl aus, Coach, Mutter und Expertin für innere und äußere Nachhaltigkeit. Zumindest weniger an rein materiellen Produkten. „Befriedigung, die sich durch Geschenke einstellt, ist nur von kurzer Dauer“, sagt sie und: „Geschenke können zu Überforderung führen.“ Es muss nicht die fünfte Quietscheente, das sechste Plastiktischset, der x-te Pullover sein. „Das ist, wie wenn man im Urlaub an sieben Orten gleichzeitig wäre. Man schafft es nicht.“ Und man braucht es nicht. „Oft hat man aus einer Vielzahl an Gegenständen ein Lieblingsstück“, auch unsere Kinder. Sie wählen, stellen Bezug zu ausgesuchten Einzelteilen her, es ist der eine bestimmte Teddy, die Brioeisenbahn, die zur Herzenssache wird. Ist ein Lieblingsstück gefunden, muss nicht noch ein Zusätzliches der gleichen Art ins Haus.

Christine Pehls Devise ist: „Lass den Müll weg.“ Sie selbst hat ihren Hausstand auf das absolut Wesentliche reduziert und achtet im Alltag darauf, nichts anzuhäufen. Dabei bedeutet Reduzieren für sie nicht Verzicht. Es klingt bei Christine Pehl eher nach einer achtsamen Fokusverschiebung. Sie hat Platz gemacht für Antworten auf die Frage: Was sind die wirklich schönen Dinge in meinem Leben? Was macht mich glücklich? „Verzicht ist ein Ladenhüter“, sagt sie. „Zu reduzieren macht nur Sinn, wenn ich spüre, es liegt ein Schatz dahinter. Zum Beispiel Zeit.“ An Weihnachten kann das Zeit fürs Auspacken sein oder gemeinsam zu spielen.

Schenken an sich ist wunderschön
Gegen eine hereinbrechende Geschenkeflut regt Christine Pehl auch an, den Akt des Schenkens noch einmal neu zu überdenken. „Der Grundgedanke ist ja wunderschön“, sagt sie. „Beschenkt werden heißt, ich muss nichts tun, darf empfangen, jemand denkt an mich, ich bin etwas wert. Da lohnt sich doch die Frage: Was kann alles Geschenk sein?“ Insgesamt plädiert Christine Pehl für weniger Konsum. Und für ein Mehr an liebevollen Begegnungen sowie gemeinsam verbrachten Erlebnissen. Davon kann es nie genug geben, sie darf man im Überfluss schenken. Wie wäre es also mit einem Gutschein für einen Spielemarathon oder ein gemeinsames Pfannkuchenbacken?

Gezielt und bewusst zu schenken heißt im besten Fall, etwas zu suchen, wodurch sich der andere erkannt sieht, und der Geschenkewahl als Motiv voranzustellen: Ich möchte dich in etwas beschenken, was dir wichtig ist. „Überlegen Sie, was liebt mein Kind und was würde es auch nutzen?“

Das darf dann ruhig auch mal etwas sein, womit man selbst nicht so viel anfangen könnte oder das den gesteckten Erziehungswerten widerspricht. Man sollte immer altersgerecht schenken, aber dem Kind auch entgegenkommen. Christine Pehl wendet hier die 80 / 20-Regel an: Wer zu 80 Prozent auf die Umsetzung seiner Werte achtet, darf sich und der Familie mit 20 Prozent auch ein gesundes Maß an Ausnahmen erlauben. Dann darf es beispielsweise neben dem Holzspielzug auch ein Glitzereinhorn sein. Das entspannt die Familienatmosphäre und beugt vor, denn mit zu strikt gelebten Werten kann man Kinder auch in Süchte treiben.

Sich Zeit nehmen für Entscheidungen
Um dem Stress des Geschenkeaussuchens in letzter Sekunde entgegenzuwirken, empfiehlt Christine Pehl, Planung, Idee und den Kauf von Geschenken rechtzeitig in den normalen Alltag miteinzubeziehen. Es bedarf hierfür ein paar Minuten der Reflexion und der Entscheidung, am besten außerhalb eines Ladens: Wer ist mir wichtig? Wem möchte ich etwas schenken? Hat man das ohne Druck geklärt, fallen einem die Ideen zu oder die Geschenke finden einen sogar. Das gehe dann wie nebenbei. Ob man bis Weihnachten warten möchte oder unabhängig der großen Festtage schenkt, sei Geschmackssache.

Und Christine Pehl ermutigt Eltern, offen im schenkwilligen Familien- und Freundeskreis zu thematisieren, dass man eine Lösung gegen das Päckchenmeer sucht. Absprachen mit Oma und Opa können hilfreich sein, die Bitte, vor dem Geschenkekauf zu fragen: Was braucht das Kind? Was wünscht es sich? Auch könnten Eltern überlegen, ob es eine größere Anschaffung gibt, an der sich mehrere Schenkende beteiligen können.

Wünscht man sich einen bewussteren Umgang mit Geschenken für die ganze Familie, ist auch das Einbeziehen der Kinder ein wesentlicher Schritt. Kleine Kinder wollen von sich aus noch nicht viele Geschenke, der Anspruch oder das Habenwollen beginnt in der Regel erst durch den Vergleich mit anderen. Mit den Älteren kann man das Gespräch suchen. „Setzen Sie sich mit ihren Kindern zusammen. Wenn es zum Beispiel einen langen Wunschzettel gibt, fragen Sie nach: Was wären die drei wichtigsten Wünsche auf deiner Liste? Fragen Sie: Warum wünschst du dir das? Mit etwas Zeit und feinem Zuhören kommen sie vielleicht auf Antworten, um die es eigentlich geht, hören die Bedürfnisse heraus, die hinter den materiellen Wünschen ihres Kindes stecken. Mein Kind will ein Smartphone? Aha, warum? Es möchte mehr Kontakt mit Gleichaltrigen. Aha. Ist das Smartphone dafür Ausschlag gebend, braucht es das? Oder kann man das Kind darin unterstützen, sein Bedürfnis auch auf anderem Wege zu stillen?

Das große grundlegende Bedürfnis ist das nach Liebe, Anerkennung, gesehen und erkannt zu werden. Je mehr wir Kindern davon geben, desto weniger entwickelt sich eine übermäßige Konsumorientierung. Und war Weihnachten nicht eigentlich ohnehin als Fest der Liebe gedacht?

INFO:
Christine Pehl
… ist Expertin für innere und äußere Nachhaltigkeit. Sie selbst lebt minimalistisch – bei ihr zu Hause gibt es alles, was man für ein gutes und angenehmes Leben braucht, aber wenig davon. Das schafft für sie die nötige Klarheit für eine gelingende Lebensführung. Christine Pehl ist Dozentin, CSR-Beraterin und Coach.

www.pehl-beratung.de

Foto: AdobeStock, Maria