Sisterhood: Unser Kampf gegen die Windmühlen

Grafik Sisterhood Adobe Stock Maria Skrigan

Was bedeutet es, eine Frau zu sein? Gibt es das typisch Weibliche? In dieser neuen Rubrik möchten wir uns mit dem „Frausein” in verschiedenen Facetten beschäftigen. Wir schreiben über Themen wie Frauengesundheit, Körperlichkeit, Sexualität, aber auch über Diskriminierung, feministische Gedanken und gesellschaftliche Strukturen. Wir möchten damit Frauen stärken und Gleichberechtigung weiter ins Bewusstsein von uns allen rücken.

6. Warum wir gegen Windmühlen kämpfen

Seit Jahrzehnten reden wir über Vereinbarkeit von Familie und Beruf, versuchen junge Familien, all dies im Privaten zu schaffen. Junge Mütter und Väter strampeln sich ab – und scheitern immer wieder. Warum?

Wissenschaftlerinnen formulieren es eindeutig: Die europäische Idee der Kleinstfamilie begrenzt und behindert uns als Frau und als Paar.
Wir Frauen können nicht über unsere Arbeitsbelastung nachdenken, an unserer „Work-Life-Balance” arbeiten, ohne uns mit der (absurden) Idee der Kleinstfamilie zu beschäftigen, die zur Vereinzelung von uns allen geführt hat. Denn das ist erschreckende Realität: Hohe Scheidungs- bzw. Trennungsraten sind in Europa an der Tagesordnung und erschließen neue Arenen des Geschlechterkampfes: der Kampf um das Scheidungskind, der großes Leid nach sich zieht. Der Therapiemarkt für Paare boomt, groß ist das Gefühl der individuellen Schuld, des Versagens. Hinzu kommt eine extreme Überforderung von Müttern: Unsere Gesellschaft hat die Aufzucht von Kindern zum undankbaren und alles verschleißenden 24-Stunden-Job für Mütter gemacht. 30 Prozent der Menschen in Deutschland leiden unter einer psychischen Erkrankung wie Burnout oder Depressionen. Und auch die Väter werden in ambivalente Rollen gedrängt und fühlen sich zerrissen und hiflos.

Dies sind jedoch keine privaten Probleme – wir müssen sie gesamtgesellschaftlich betrachten. Die Politikwissenschaftlerin Mariam Irene Tazi-Preves schreibt dazu: „Die Institution der Familie (stellt) eine der tragenden Säulen des Patriarchats dar (…), ist folgerichtig als Keimzelle des Patriarchats zu verstehen.” Die romantische Idee der heterosexuellen Ehe wird uns seit Jahrtausenden als einzig mögliche Form des Zusammenlebens verkauft – mit Bildern unterfüttert, christlich, medial und politisch inszeniert. Und hat uns alle sehr einsam und unglücklich gemacht.

Können wir von anderen Konzepten lernen? Das System der matriarchalen Großfamilie, in dem die Menschen in Europa in früherer Zeit zusammen lebten, wurde systematisch zerschlagen. Es existiert noch in vielen indigenen Völkern, die von Kolonialismus und Missionierung verschont geblieben sind, doch wird es hier als primitiv abgewertet. Heute befassen sich tatsächlich viele weiblichen Wissenschaftlerinnen mit dem Matriarchat, wie die Begründerin der modernen Matriarchatsforschung Heide Göttner-Abendroth: „Hier wohnen die Clanmutter und ihre Schwestern, deren Töchter und Enkelinnen, sowie die direkt verwandten Männer: die Brüder, Söhne und Enkel der Clanmutter und ihre Schwestern.“ Die Familie wird hier über die Mutterlinie zusammengehalten und Frauen unterstütz(t)en sich gegenseitig. Das mütterliche Clanhaus garantiert den Frauen und auch den Männern ökonomische und emotionale Sicherheit. Matriarchat bedeutet übrigens nicht FrauenHERRschaft! Wer hier intensiver einsteigen möchte, dem seien die Vorträge empfohlen sowie mein nächster Blogbeitrag, der Grundlagen des Matriarchats erklären möchte.

Buchtipp:
Das Versagen der Kleinfamilie: Kapitalismus, Liebe und der Staat
Von Mariam Irene Tazi-Preve

Die Autorin geht vom Leiden an den kleinfamilialen Verhältnissen aus und fragt: Kann das Liebespaar wirklich die Basis einer ganzen Gesellschaftsordnung sein? Sie legt die historischen und ideologischen Ursachen des Dilemmas der Kleinfamilie dar statt einem „individuellen Verschulden“ nachzugehen und fordert ein radikales Umdenken des Privaten.