Sisterhood: Mythos Jungfernhäutchen

Grafik Pfirsiche

Was bedeutet es, eine Frau zu sein? Gibt es das typisch Weibliche? In dieser neuen Rubrik möchten wir uns mit dem „Frausein” in verschiedenen Facetten beschäftigen. Wir schreiben über Themen wie Frauengesundheit, Körperlichkeit, Sexualität, aber auch über Diskriminierung, feministische Gedanken und gesellschaftliche Strukturen. Wir möchten damit Frauen stärken und Gleichberechtigung weiter ins Bewusstsein von uns allen rücken.

Mythos jungfernhäutchen

In meinem zweiten Beitrag möchte ich mich gleich einmal mit einem Tabuthema beschäftigen … mit dem Jungfernhäutchen. Auch wenn die meisten von euch jetzt vielleicht denken: „Was geht mich dieses Thema an, ich habe es ja eh schon ‚verloren’…” – dann sind wir schon mittendrin. Leider ranken sich um dieses geheimnisvolle Häutchen so viele jahrtausendealte Tabus und Mythen, die Frauen auch heute noch viel Leid bringen – Tabus, geboren aus Halbwissen, besetzt mit Scham, belastet mit veralteten Moralvorstellungen, gefüttert mit gesellschaftlichem Druck und Angst, gewürzt mit Sexismus. Über weibliche Anatomie ist so wenig bekannt, so wenig wissenschaftlich erforscht, dass es mich manchmal regelrecht erschüttert. Ich selbst habe über das Jungfernhäutchen auch jetzt erst gelesen und fühle mich erst mit meinen über 40 wirklich aufgeklärt.

Hier können wir als Eltern Verantwortung übernehmen und unseren Kindern – unseren Töchtern und auch unseren Söhnen – richtige Informationen weitergeben. Dann können wir endlich mit diesem Mythos aufräumen, dass das Jungfernhäutchen eine Art dünne Haut wäre, die den Eingang der Vagina bis zum ersten Geschlechtsverkehr quasi wie ein Siegel verschließen würde, eine Art Frischhaltefolie, die uns für den richtigen Mann unbefleckt und rein hält. Wird die Frau „entjungfert”, reißt es, die Frau müsse bluten. Das Jungfernhäutchen galt früher als Beweis für die Keuschheit und Reinheit der Frau, die natürlich nicht vor der Hochzeit und nur mit dem auserwählten Mann Sex haben durfte. Diese Moralvorstellungen sind überholt und anatomisch ist das Jungfernhäutchen faktisch falsch.

Tatsächlich ist das Häutchen ein weicher Kranz aus Schleimhaut, auch Hymen oder vaginale Korona, also Krone, genannt. Es ist extrem dehnbar und erinnert an einen fluffigen Haargummi. Dieses Krönchen liegt bei den meisten Frauen hinter den inneren Labien, das den Eingang der Vagina umrahmt, aber nicht verschließt, sonst könnte während der Menstruation auch kein Blut abfließen. Es ist sogar so dehnbar, dass bei einer Geburt ein Kind hindurchpasst. Das Krönchen verschwindet auch nicht nach dem ersten penetrativen Sex, sondern frau behält es das ganze Leben. Und so, wie jede Frau individuell ist, ist auch das Aussehen des Krönchens bei jeder anders, es verändert sich im Laufes des Lebens, manche Mädchen werden auch ohne geboren und so sagt es rein gar nichts über die Jungfräulichkeit aus. Wenn Frauen beim ersten Sex bluten, hat das dann eher etwas mit fehlender Erregung, Angst und Verspannung zu tun.

„Die Beine brav geschlossen, die sexuelle Energie versteckt und unterdrückt. Das Jungfernhäutchen ist ein Konstrukt des Patriarchats, um die weibliche Urkraft und Magie und die Gefahr, die davon ausgeht, unter Kontrolle zu halten”, betont Anne Reichel, Mentorin für Weiblichkeit vom Blog „The wild womb”.

Ein Beitrag von Uta Börger.*

Tipp:
Anne Reichel begleitet Frauen auf dem Weg, wieder mehr in Verbindung mit der eigenen Weiblichkeit, den Gefühlen, dem Körper, der eigenen Sinnlichkeit und Sexualität zu kommen. Als Mentorin für Weiblichkeit unterstützt sie Frauen dabei, die Zyklen des Körpers zu verstehen, ihn zu genießen und anzunehmen, Scham loszulassen und dadurch die eigene weibliche Urkraft, die innere Weisheit und Wildheit wiederzufinden.
Spannender Blog auf Instragram: the.wild.womb
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*Quellen: pro familia, terre des femmes, DAK, the.wild.womb

Bild: Adobe Stock, anuwat