Sisterhood: Ein Image, schlechter als die Deutsche Bahn

Grafik Sisterhood Adobe Stock Maria Skrigan

Ein Image, schlechter als die Deutsche Bahn

Eigentlich hat er ja allerhand Gutes im Sinn. Tatsächlich 65% der deutschen Bürger:innen stimmen mit seinen Zielen überein. Und trotzdem wird er abgelehnt, sogar bekämpft und hat ein schlechteres Image als die Deutsche Bahn.

Von wem ich spreche? Na, vom Feminismus!

Viele Frauen in meinem Umfeld wehren sich empört: Nein, eine Feministin seien sie nicht. Dieses Phänomen wird durch Studien belegt: Nur 28% der Frauen und 18% der Männer in Deutschland können sich mit dem Begriff „Feminist:in“ identifizieren*. Man will auf keinen Fall in die gleiche Schublade gesteckt werden. Denn es hält sich hartnäckig das Klischee der  „daueraggressiven, penisneidischen, hässlichen, untervögelten Männerhasserin“. Aber diese Schublade ist wahrlich nicht mehr zeitgemäß. Moderne Frauen wie Michelle Obama, Emma Watson, Keira Knightley und Ellen Page oder Shirin David sind darin nicht einzuordnen.
Warum ist es noch immer so schwer, in einer Welt, die sich für Gleichberechtigung ausspricht, einen Begriff wie „Feminist:in“ zu tragen? Warum sehen wir Frauen uns nicht in der würdigen Nachfolge einer stolzen Tradition? Hat doch der Feminismus die Umwälzung der Lebenswelten ganzer Nationen erreicht, prägt inzwischen die Leitlinien nationaler und europäischer Politik und ist im Kern eine der gerechtesten und vernünftigsten Ideologien der letzten Jahrhunderte. Dies sind wahre Erfolge, auf die die Frauen der letzten Jahrzehnte stolz sein können!
Wir müssen uns bewusst machen, dass es Gegenwehr – Antifeminismus – gibt, seit es  Feminismus gibt. 1912 gründet sich der: „Deutsche Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation”, der in den Folgejahren einen Pressekrieg gegen den „Bund deutscher Frauenvereine” (BDF) führte mit äußerst populistischen Aussagen. Dieser strategische Antifeminismus verfälschte, verzerrte die Themen, strickte bewusst Klischess und nährte  Mythen, die das Bild einer radikalen Bewegung zeichneten, die Männer hassen und Frauen in  den Mittelpunkt einer einseitigen Machtagenda stellen würde. Auch in der modernen antifeministischen Szene lesen wir: „Der Feminismus schaffe eine „alles durchdringende Kultur des Misstrauens“, die das „Verhältnis zwischen Männern und Frauen nachhaltig vergiftet“ und  eine „emotionale Verwüstung im Privatund Intimleben“ erzeuge, so der Soziologe Rainer Paris. Häh? Eine Bewegung, die 5.000 Jahre alltägliches Patriarchat kritisiert? Finde ich irgendwie seltsam.

Ja, der Feminismus kritisiert die männlich dominierte Gesellschaft; aber Kritik ist nicht gleich Hass! Er fordert kein Übermaß an Frauenrechten, sondern GLEICHE Rechte. „Grundanliegen aller feministischen Strömungen sind die Selbstbestimmung, Freiheit und Gleichheit für alle Menschen.“ **
Das ist der wahre Kampf: Der Kampf, den Begriff von den verzerrten Klischees zu befreien. Den Begriff der Feministin für uns zurückzuerobern und wieder mit positivem Leben zu erfüllen. Den Feminismus als das zu zeigen, was er ist: eine Bewegung für alle Geschlechter. Eine  Bewegung, die sich nicht GEGEN, sondern FÜR Menschen einsetzt.
Wer sich noch immer unwohl fühlt, sich mit diesem Label zu identifizieren, der möchte ich Mut zusprechen: Gerade weil der Begriff so negativ besetzt wurde, sollten wir ihn wieder positiv in die Welt hinaustragen und aussprechen:
Ich, Uta Börger, bin Feministin. Und nein, ich hasse keine Männer!

von Uta Börger.

Bild: Adobe Stock, Maria Skrigan