Sisterhood: Falsche Diagnosen für Frauen

Grafik Sisterhood Adobe Stock Maria Skrigan

Was bedeutet es, eine Frau zu sein? Gibt es das typisch Weibliche? In dieser neuen Rubrik möchten wir uns mit dem „Frausein” in verschiedenen Facetten beschäftigen. Wir schreiben über Themen wie Frauengesundheit, Körperlichkeit, Sexualität, aber auch über Diskriminierung, feministische Gedanken und gesellschaftliche Strukturen. Wir möchten damit Frauen stärken und Gleichberechtigung weiter ins Bewusstsein von uns allen rücken.

7. Falsche Diagnosen für Frauen

Ich bin erschüttert. Die Ausmaße waren mir nicht bekannt. Hatte ich doch angenommen, dass sich wenigstens in den letzten 50 Jahren etwas geändert hätte. Aber wir müssen im Klartext festhalten: In der Medizin sind Männer noch immer die Norm. Was für Frauen fatale Folgen hat: Fehldiagnosen, falsche Medikation und laut Studien sogar höhere Sterblichkeitsraten. Obwohl wir Frauen mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, ist es ein Fakt, dass in der Medizin in den letzten Jahrhunderten und Jahrzehnten vor allem der männliche Körper erforscht wird, sich Studien, Diagnosen und Behandlungen an der männlichen Gesundheit orientieren und Medikamente nur an Männern getestet werden. Dazu kommt, dass der weibliche Körper, die weibliche Sexualität und auch frauenspezifische Krankheiten wie Endometriose so gut wie nicht erforscht werden. Das Fehlen einer geschlechtsspezifischen Medizin bezeichnet man heute als „Gender Health Gap“.

Auch viele allgemeine Erkrankungen sind an Frauen tatsächlich gar nicht bis unzureichend erforscht. Der Herzinfarkt beispielsweise gilt als Männerkrankheit, gehört aber auch bei Frauen zu den häufigsten Todesursachen. Bei Frauen ist sogar das Sterberisiko doppelt so hoch. Der Grund liegt darin, dass sich die Anzeichen für einen Herzinfarkt bei Frauen ganz anders zeigen als bei Männern. So werden tatsächlich Herzinfarkte bei Frauen aufgrund falscher oder verspäteter Diagnosen nicht rechtzeitig erkannt. So vergehen laut Studien bei einer 65-jährigen Frau im Durchschnitt viereinhalb Stunden, bis sie nach einem Herzinfarkt in der Notaufnahme ist. Ob und mit welchen Spätfolgen sie überlebt, hängt zudem davon ab, wer sie behandelt: Eine Studie aus den USA hat ergeben, dass Frauen, die von einer Ärztin behandelt werden, deutlich häufiger überlebten.

Frauen im gebärfähigen Alter wurden lange Zeit komplett aus der medizinischen Forschung ausgeschlossen und Arzneimittel ausschließlich an Männern oder männlichen Tieren getestet. In den 80er-Jahren erkannte man dann zunehmend, dass Medikamente bei Frauen anders wirken als bei Männern.

Doch auch 45 Jahre später besteht das Problem immer noch. Mittlerweile gibt es zwar gesetzliche Richtlinien, dass beide Geschlechter in der klinischen Forschung berücksichtigt werden müssen. Allerdings wird dies bislang leider nicht ausreichend umgesetzt. Studien zeigen, dass 70 Prozent der Tierversuche auch heute noch an männlichen Mäusen vorgenommen werden.

Wenn also Medikamente, die größtenteils für Männer entwickelt wurden, zur Behandlung von Krankheiten bei Frauen eingesetzt werden, ist die Folge klar: Arzneimittel sowie Impfstoffe sind bei Frauen häufig falsch dosiert. Bekannte Vorfälle sind hier beispielsweise bei der Anwendung von Aspirin, dem Schlafmittel Zolpidem und Digoxin bekannt. Eine US-amerikanische Studie zeigte 2021, dass Frauen vermehrt unter den Nebenwirkungen der Corona-Impfung leiden. Auch Autismus- oder ADHS-Diagnosen werden bei Mädchen und Frauen meist nicht oder deutlich später gestellt, da sich auch hier die Symptome anders zeigen.

Gendermedizin ist leider noch immer nicht im Bewusstsein des Medizinstudiums, der Forschung oder gar der Umsetzung in den Kliniken und Gesundheitszentren angekommen. Sie könnte helfen, zukünftig – weibliches – Leben zu retten.

Grafik: Adobe Stock, Maria Skrigan