Vom Mädchen zur Frau

HINWEIS: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr (Erscheinungsdatum: 13. Februar 2020). Es kann sein, dass Inhalte dieses Artikels sich geändert haben. Hier geht es zu unseren aktuellen Meldungen.

Wie Eltern ihre Töchter gut durch die Pubertät begleiten können.

Wenn die Brüste schmerzen, Haare an Orten sprießen, an denen mädchen / frau sie nicht sehen  will und eine Reihe weiterer unaussprechlicher Veränderungen am eigenen Körper beginnen, dann ist es so weit: aus Mädchen werden Frauen. Im Alter von zwölf, elf oder zuweilen noch weniger Jahren ist eine so gravierende Verwandlung erfahrungsgemäß höchst unwillkommen. Wie  versöhnen wir unsere Töchter mit ihrem Körper, ihren Gefühlen und ihrer sich wandelnden Identität? Darüber hat liesLotte mit der Münchner Sozialpädagogin Katrin Schiele vom Mädchenprojekt Amanda gesprochen.

Pubertät und Sexualität – schon vorher drüber reden oder nicht?

Katrin Schiele: Ich finde es wichtig, schon vorab über kommende Veränderungen zu sprechen, und nicht erst, wenn es so weit ist. Ich rate Eltern, zum Beispiel in eine Buchhandlung zu gehen und in Sachen Aufklärungsbüchern zu gucken – was ist ansprechend? Was gefällt mir gut? Dass so ein Buch einfach zu Hause schon vorhanden ist. Wann und wie man darüber sprechen sollte, darauf gibt es keine pauschale Antwort. Generell ist es gut, das Gespräch zu suchen und in Kontakt zu gehen. Kinder haben auch eine eigene, kindliche Sexualität, damit schon eigene Bilder dazu und ein eigenes, körperliches Erleben. Leider hatten viele aber auch schon Kontakt zu pornografischem Material, auch das ist etwas, womit Kinder umgehen müssen und wofür sie vielleicht bereits Strategien entwickelt haben. Darüber zu sprechen, ist wichtig, aber noch wichtiger – Offenheit zu
signalisieren, sodass Mädchen spüren: „Ich kann drüber sprechen.“

Zu Beginn macht sich das Frauwerden ja durch eher unangenehme Erfahrungen bemerkbar – mit Haaren und Blut, manchmal Babyspeck. Aber auch gesellschaftlich kommt auf einmal das Thema ins Spiel, dass Frauenkörper immer noch objektifiziert werden. Wie können diese Veränderungen von Eltern bzw. Müttern positiv begleitet werden?

Katrin Schiele:
Wenn der Körper weiblichere Formen bekommt, tut es gut, einerseits Ängste zu nehmen und auf der anderen Seite Mädchen in ihrer Wahrnehmung zu unterstützen. Wir können trösten – Brustschmerzen verschwinden zum Beispiel wieder, aber eben auch unterstützen: „Deine Wahrnehmung ist richtig. Etwas fühlt sich doof an? Oder vielleicht okay, aber irgendwie komisch? Dann höre darauf.“ Dem eigenen Gefühl zu trauen, hilft auch, wenn es um Objektifizierung und blöde Sprüche geht. Wertschätzung und Zuspruch tut auf jeden Fall gut. Trotzdem gibt es diese Phase, in der man erst für sich herausfinden muss: Was mag ich an mir? Was nicht? Und wie gehe ich damit um? Hier zählt auch unsere Vorbildfunktion; dass Mädchen mitbekommen: Ah, die Mama hat da [mit sich und ihrem Körper] einen entspannten Umgang.

Menstruation ist eine Chance zur Selbstfürsorge.

Menstruieren, das bedeutet medizinisch gesehen ja vor allen Dingen: schwanger werden können. Und das, seien wir ehrlich, ist nichts, womit Mädchen von elf, zwölf Jahren schon zu tun haben wollen. Auch eine Fünfundzwanzigjährige kann sich damit vielleicht noch nicht identifizieren – zumal das Schwangerwerdenkönnen ja Frauen gesellschaftlich auch enorme Nachteile einhandelt: Andere bestimmen über ihren Körper, für Arbeitgeber bedeuten Frauen Risiko etc. Wie kann man sich denn jenseits von diesem Aspekt mit der monatlichen Blutung anfreunden?

Katrin Schiele:
Manche Frauen sagen, dass sie sich innerhalb des Zyklus unterschiedlich wahrnehmen. Es gibt Frauen, die damit selbstbewusst umgehen und sagen: „Dieses Blut ist ein kraftvoller Teil von mir.“ Man kann die Blutung als Chance ansehen, auf sich achtzugeben, sich zu entspannen, sich nicht so viel Leistung abzuverlangen. Im Prinzip ist die Periode ein guter Punkt, um sich mit seinen Bedürfnissen auseinanderzusetzen. Das führt weiter zu einem positiven Verständnis von Sexualität als etwas, das zu mir gehört, das meinem Körper gehört – noch weit, bevor ich es mit anderen teile. Ziel wäre so etwas wie „Leibfreundlichkeit“, wo Lust und Sexualität mit dazugehören. Dazu gehören Sachkenntnisse über Prozesse, Lust und Verhütung ebenso wie ein gutes Körpergefühl: Was fühlt sich gut an? Ein sinnliches, körperfreundliches Erleben und Lustfreundlichkeit kann zum Beispiel bedeuten, dass ich mag, wie sich ein bestimmter Stoff auf der Haut anfühlt. Und wenn ich meine Tage habe, kann ich das so sehen: „Ich bin vielleicht nicht so leistungsfähig wie sonst, aber kann mir etwas Gutes tun.“ Kurz – die Menstruation ist eine Chance zur Selbstfürsorge.

Sollte die erste Periode irgendwie als Übergang gefeiert oder damit etwas Neues begonnen werden?

Katrin Schiele: Ich würde nichts anders machen. Meist ergibt sich das von selbst: Oft ist da der Wunsch, noch Kind zu sein, und in anderen Phasen passt das vielleicht alles nicht mehr, der Kuss beim Abholen gefällt gar nicht mehr usw. Ich würde eher empfehlen, das Ganze einzubetten in einen Prozess. Wenn man mag, kann man anlässlich der ersten Periode anbieten: „Hast du Lust,
etwas Schönes zu unternehmen? Worauf hättest du Lust?“ Manche brauchen Zeit für sich oder müssen sich erst orientieren, während andere das alles spannend fi nden. Das ist immer eine
Typfrage; deshalb ist es wichtig, im guten Kontakt zur eigenen Tochter zu sein. (jb)

AMANDA – PROJEKT FÜR MÄDCHEN UND JUNGE FRAUEN
Katrin Schiele
Gmunder Str. 7, 81379 München
www.amanda-muenchen.de

Das amanda-Projekt für Mädchen und junge Frauen wurde 1978 als erstes Mädchenprojekt in Bayern gegründet. Mädchen und junge Frauen zwischen 10 und 27 Jahren haben hier die  Möglichkeit, eine selbstbewusste Identität zu entwickeln. Das Angebot umfasst mädchenspezifische Schul- und Genderprojekte wie das „Rote Zimmer“ mit bestärkenden Infos rund um die Periode, Beratung und Information für Mädchen und junge Frauen, Beratung für junge Schwangere und junge Eltern sowie Fortbildungen für Fachkräfte.

Anlaufstellen in Augsburg:

PRO FAMILIA AUGSBURG
Hermanstr. 1, Augsburg
www.profamilia.de/bundeslaender/bayern/beratungsstelle-augsburg/sexuelle-bildung-sexualpaedagogik/

In Augsburg können sich Mädchen oder Mädchen-Eltern grundsätzlich immer mit Fragen an
pro familia wenden, wo auch eine frauenärztliche Sprechstunde angeboten wird.

WORKSHOP „ZYKLUSSHOW“
Bistum Augsburg, Frau Dr. Eisenreich,
Tel.: 0821 / 3166-2425, nfp@bistum-augsburg.de
www.beziehung-leben.de/fachstelle/das-mfm-programm/die-zyklusshow-mfm-fuer-maedchen/

Speziell für Mädchen führt das katholische Bistum Augsburg auf Anfrage den Workshop „Zyklusshow“ durch. Es handelt sich um ein bundesweites, konservatives Angebot der katholischen Kirche, das Mädchen die Geschehnisse im Körper während des Zyklus näherbringt.

 

Bild: AdobeStock, Rawpixel.com