Was bedeutet es, eine Frau zu sein? Gibt es das typisch Weibliche? In dieser Rubrik möchten wir uns mit dem „Frausein” in verschiedenen Facetten beschäftigen. Wir schreiben über Themen wie Frauengesundheit, Körperlichkeit, Sexualität, aber auch über Diskriminierung, feministische Gedanken und gesellschaftliche Strukturen. Wir möchten damit Frauen stärken und Gleichberechtigung weiter ins Bewusstsein von uns allen rücken.
„Sei laut, sei mutig, sei selbstbewusst, stell dein Licht nicht unter den Scheffel, setz dich durch, lass dir nichts gefallen…” – Wir wollen unsere Töchter nicht mehr zu Hascherln erziehen, die den Mund halten, sich nichts zutrauen und immer nett lächeln… Wir wollen sie gleichberechtiger aufwachsen lassen und freuen uns über ihr neugewonnenes Selbstvertrauen. Denn ja, Mädchen brauchen diese Stärkung von uns. Für sie ist es gut, sie nicht schon von klein auf in eine vorgefertigte zementierte Rolle zu pressen, die sie klein macht.
Die Sensibilisierung ist in den letzten Jahren für dieses Thema sehr gewachsen – und das ist gut so! Geschlechtersensible Erziehung nennt man das.
Jedoch fällt mir eines auf. Wenn wir wirklich wollen, dass unsere Kinder gleichberechtigter aufwachsen und wir so eine neue Generation mitgestalten, bei der Sexismus an Frauen reduziert wird, müssen wir auch dringend die Buben stärken, nämlich sie dazu ermutigen, weiblich gelesene Eigenschaften mehr anzunehmen: über Gefühle zu reden, sanft zu sein, weinen zu dürfen, fürsorglich, schüchtern, empathisch, zärtlich… zu sein. Aber das tun wir noch zu wenig. Eben weil weibliche Fähigkeiten, Eigenschaften und Werte leider nicht so viel wert sind in unserer jetzigen Gesellschaftsstruktur. Wir bräuchten einen männlichen Pippi Langstrumpf, der mit einer sensiblen weichen Art genauso beliebt ist wie die freiheitliche, freche, weibliche Pippi!
Es ist für Eltern sicher im ganzen Alltagsgedöns oft nicht einfach, daran zu denken und sich dem automatischen Klischee-Sog zu entziehen, in dem wir selber ja auch aufgewachsen sind. Gerade bei den stereotypen Geschlechterrollen haben wir viele Ansichten quasi mit der Muttermilch aufgesogen.
Sie wurden uns vorgelebt, wir haben sie abgeschaut. Und so ist natürlich klar: genau wie Erziehende uns selbst in unserer Kindheit geprägt haben, prägen auch wir unser Kind.
Wie können wir – beide Eltern – es also ein Stück weit besser machen? Ein erster Schritt könnte sein, über die eigenen gelernten Klischees zu Frau- und Mannsein nachzudenken. Wie wurden mir diese Rollen in meiner eigenen Kindheit erklärt und vorgelebt? Es wäre zudem gut, wenn sich Eltern vornehmen, das Kind nicht zu bewerten. Unreflektierte Bewertungen zu Aussehen und Verhalten lassen uns schnell in alte Klischees verfallen: „Du hast aber heute ein hübsches Kleid an.” „Wow, du siehst aber coooool aus.” „Sei nicht so schüchtern.” usw. Wichtig ist es auch, sich selbst zu beobachten: Welches unserer Kinder bitten wir, im Haushalt zu helfen? Kaufen wir unterschiedliche Kleidung und Spielzeuge je nach Geschlecht?
Wir müssen uns immer bewusst sein: Wir sind Vorbilder, von denen sich unsere Kinder abschauen und lernen. Was leben wir beim Thema Aussehen und Schönheit vor? Was leben die Väter ihren Jungen vor, wie sie mit Gefühlen umgehen? Sensibel zu sein für Gefühle, diese zu spüren, zu benennen, auszudrücken und zu bewältigen – dies sind Kompetenzen, die unsere Buben brauchen und die sie möglichst von ihren Vätern lernen sollten.
Dabei geht es nicht darum, die Geschlechter anzugleichen, quasi nur noch ein Geschlecht zu haben. Es geht darum, die Spaltung und Trennung zu verringern, Mädchen ihre Kraft ausdrücken zu lassen und Jungen Zugang zu ihren Gefühlen zu ermöglichen. Auch wenn wir Eltern nur ein winzigkleines Puzzlesteinchen sind und wir nicht die ganze Welt retten können, ist das viel wert für den Weg in eine friedlichere gleichberechtigtere Welt.
Gedanken von Uta Börger
Bild: Adobe Stock, Maria Skrigan