Besondere Zeiten gemeinsam meistern

Kinder spielen mit Töpfen
HINWEIS: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr (Erscheinungsdatum: 23. Dezember 2020). Es kann sein, dass Inhalte dieses Artikels sich geändert haben. Hier geht es zu unseren aktuellen Meldungen.

Michael E. Silc (Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut) im Gespräch mit der Koordinierenden Kinderschutzstelle (KoKi) – Netzwerk frühe Kindheit.

„Wie erlebt mich gerade mein Kind?“ – das ist die Kernfrage, die sich Eltern gerade in Zeiten der Corona-Pandemie stellen sollten, rät Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut Michael E. Silc. „Mit dieser Frage können Eltern sehr viel für ihre Kinder tun“, ermutigt er alle Eltern.

In seiner täglichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen werden die Auswirkungen der nun andauernden Corona-Pandemie immer deutlicher. Kinder berichten von einer Traurigkeit, die sie erleben, weil sie ihre Freunde oder Großeltern nicht wie gewohnt treffen dürfen, ihnen fehle das unbeschwerte Spielen und die Interaktion mit Gleichaltrigen. Jugendliche, welche bereits eine erweiterte Reife besitzen und dadurch Geschehnisse anders wahrnehmen können, berichten von Zukunftsängsten, Wut und Einsamkeit. „Sie kennen genau die aktuellen Kontaktregelungen und fokussieren sich auf diese“, weiß Silc aus seinen Gesprächen. Sich schnell ändernde Regeln, wie z.B. die Information an Silvester zehn Freunde treffen zu dürfen, dann wieder nicht, verunsichere Jugendliche und führe zu negativen Gefühlen. Auch der Medienkonsum habe deutlich zugenommen und Auswirkungen des Homeschoolings werden immer deutlicher. „Aus längeren Phasen im Distanzunterricht, d.h. ohne direkter Beschulung in den Klassenzimmern, können sich soziale Ängste und Schulverweigerung entwickeln“, warnt Silc. Viele Schüler und Schülerinnen haben bei Online-Beschulungen stärkere Konzentrationsprobleme und laufen Gefahr, in ein vermeidendes Lernverhalten zu kommen. Hier müssen wir unsere Kinder und Jugendlichen ganz genau beobachten und gut begleiten.

Je nach Altersgruppe reagieren Kinder und Jugendliche unterschiedlich auf die aktuelle Krise. „Zusammenfassend können wir alle stolz auf unseren Nachwuchs und deren Fähigkeiten, mit den Einschränkungen umzugehen, sein!“, betont Silc an dieser Stelle.

Jede Beratung sei individuell und es gäbe kein Krisen-Pauschalrezept für Eltern. Dennoch möchte Silc Eltern die Botschaft mitgeben, dass sie es sind, die den Kindern durch ihr eigenes Verhalten Sicherheit in der Krise geben können. Für Eltern sei es im Regelfall immer schwer auszuhalten, wenn das eigene Kind traurig ist oder leidet. Doch je kleiner das Kind ist, desto abhängiger ist es von der Haltung und Meinung der Eltern. So müssen wir uns als Eltern immer die Frage stellen: „Wie wirke ich gerade auf mein Kind?“, rät Silc. Er erlebe so viele kreative Ideen bei den Eltern. Kinder, die stets im Hier und Jetzt leben und denken, verlassen sich auf die Reaktionen des familiären Umfeldes. „Sich Zeit zu nehmen für ein Spiel, für einen Spaziergang im Wald oder auch mal einen lustigen Videocall mit Oma und Opa, daran erinnern sich Kinder“, so Silc.

Eltern von Jugendlichen, die ihren (für ihre Entwicklung wichtigen) Freundeskreis vermissen, rät Silc, Verständnis zu zeigen für deren aktuelle Gefühlslage und mit dieser „einfühlsam mitzuschwingen“. Auch negative Gefühle dürfen hier ihren Platz haben. Jugendlichen hilft es, Sätze wie „ich kann dich verstehen, das ist auch gerade nicht leicht und ich kann sehen, dass du traurig bist“ von den eigenen Eltern zu hören, weiß Silc. Sich Zeit nehmen, in Ruhe zuhören und Mut zugesprochen zu bekommen, helfe Jugendlichen viel mehr als eine von Erwachsenen oft praktizierte Suche nach einer sofortigen Lösung oder schnell gesagte Sätze wie „das ist halt so“ oder „das geht uns allen so“. Wenn Jugendliche sich verstanden und ernst genommen fühlen, sind sie kreativ genug, um nach eigenen Lösungen zu suchen und entwickeln ein gesundes Selbstwertgefühl.

Silc ermutigt alle Eltern, sich Hilfe zu holen, wenn sie merken, dass ihr Kind sich über einen längeren Zeitraum anders verhält, zurückzieht, wütend ist oder nicht mehr sprechen möchte.
Abschließend ist es ihm ein Anliegen zu erwähnen, wie kreativ und emphatisch die meisten Eltern, Erzieher und auch Lehrer mit der herausfordernden Zeit umgingen. „Empathie, Verständnis, Kreativität und eine gute Portion Humor sind die Eckpfeiler, die unsere Kinder für ein gesundes Selbstwertgefühl benötigen, dann sind sie stark genug, um auch in Zukunft alle Krisensituationen des Lebens gut zu meistern“, schließt Silc.

INFO:
Eltern können die aktuelle Pressereihe „Besondere Zeiten gemeinsam meistern“ mit Anlaufstellen aktuell unter www.lra-aic-fdb.de/aktuelles/pressemitteilungen verfolgen. Im Landkreis gibt es ein sehr gut funktionierendes Netzwerk.

Michael E. Silc
Steubstr. 6, Aichach,
Tel. 08251 / 894 96 90
www.michael-silc.de

Foto: Adobe Stock, fizkes