Erdbeerwoche, Rote Tante, Besuch aus Moskau, Shark Week, Tante Rosa – die Liste euphemistischer Umschreibungen ist lang und manchmal skurril. Alle kreisen sie um ein Thema, das trotz seiner Alltäglichkeit nach wie vor tabuisiert wird: die Menstruation. Jeden Monat blutet die Hälfte der Weltbevölkerung – und doch gilt dieser natürliche Körperprozess vielerorts noch immer als etwas, das verschwiegen, versteckt oder umschrieben werden muss.
Dabei ist die Menstruation eine faszinierende Körperfunktion, die ganz unterschiedliche Erfahrungen mit sich bringt: Für manche ist sie mit Schmerzen, PMS oder Krankheiten wie Endometriose verbunden; andere feiern diese Zeit des Zyklus mit Ritualen. Wieder andere erleben die Blutung als Erinnerung an einen Körper, in dem sie sich nicht zuhause fühlen – oder sie versuchen, sie schlicht zu ignorieren. Doch egal, wie der persönliche Umgang aussieht, alle Menstruierenden teilen ein Erbe von Tabuisierung, das bis heute wirkt. Denn schon seit Jahrtausenden ist die Menstruation mit Stigmata belegt. In patriarchal geprägten Religionen wie Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus gilt sie als Zustand ritueller Unreinheit. Frauen wurden und werden von Ritualen, Gebeten und sozialem Leben ausgeschlossen – ihre Blutung dient(e) als Legitimation für Ausgrenzung und Unterdrückung. Der Gedanke der Unreinheit prägt bis heute Vorstellungen, die Scham, Abscheu und Unsichtbarmachung zur Folge haben. Die Folgen dieser Unsichtbarkeit sind gravierend. Scham ist nach wie vor die häufigste Reaktion, wenn Menstruation versehentlich sichtbar wird – laut Plan International empfinden 97 Prozent der Befragten es als unangenehm oder sehr unangenehm, „durchzubluten“. Auch Ekel spielt eine Rolle: Die Religionswissenschaftlerin Angelika Malinar erklärt, dass langsam fließendes Blut als abstoßend empfunden wird, weil es den Blick in den sonst verschlossenen Körper eröffnet – und weil Menstruierende keine Kontrolle über den Vorgang haben. In einer Gesellschaft, die Leistungsfähigkeit und Funktionieren glorifiziert, passt ein solcher Prozess nicht ins Bild. Also wird die Periode oft „wegperformt“, Beschwerden werden verschwiegen, um im kapitalistischen und patriarchalen System mithalten zu können. Doch es gibt auch andere Perspektiven. In manchen Traditionen wird die Blutung als kraftvolle, schöpferische Energie verehrt, als besondere Zeit der Reinigung und spirituellen Stärke. Hier zeigt sich: Was heute als „Schwäche“ gilt, kann zugleich Quelle von Kraft und Selbstermächtigung sein. Feministische Bewegungen greifen diese Deutung auf und machen die Menstruation sichtbar – nicht als Makel, sondern als Teil eines vielfältigen, lebendigen, fruchtbaren Körpers.
Von Uta Börger.
Workshop-Tipp: Zyklusshow f. Mädchen, 10 – 12 J.
Mo 03.11., 9 – 14 Uhr
Junge Mädchen, die am Anfang ihrer Pubertät stehen, werden unterstützt,
einen positiven Zugang zu ihrem weiblichen Körper zu finden.
Divano, Pfarrstr. 1, Friedberg, Anm.: familienstuetzpunkt@kinderheim-friedberg.de, 7 € (K), www.kinderheim-friedberg.de



